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Sperrt Graz bald zu?

Das Barprojekt hat endgültig geschlossen. Letzten Donnerstag fand seine Abschiedsfeier statt, auf Facebook hatten sich 125 Gäste für die Party angemeldet (bedenkt man die Größe des Lokals, ist das beträchtlich). Die Kombüse hat „Wegen zu großem Erfolg geschlossen“ – so liest man auf ihren Pforten. Das in der Albrechtgasse neu eröffnete Parks hat Probleme mit der Stadtverwaltung, weil seine Tische 20 cm zu lang sind. Für das Musizieren auf der Straße wurden die Bedingungen verschärft.

Bei allen drei Lokalen ist das zentrale Thema der öffentliche Raum: Vor dem Barprojekt und vor der Kombüse standen gerne Gäste (und es konnten mitunter auch ganz schön viele sein, die dort standen), das fanden Anrainer offenbar zu laut. Im Fall Parks geht es um die Tische vor dem Lokal.

Es gibt das Alkoholverbot in der Innenstadt, der Mondscheingasse und dem Univiertel.

„Anrainer atmen auf, die Politik versucht zu beruhigen“, schreibt die  Kleine Zeitung  im Artikel „Die Party ist vorbei“ am 16. Juli.

Ebenda lesen wir weiter, Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics würde „beschwichtigen“: „Graz wird ja deswegen nicht zugesperrt. Wir haben das p.p.c., die Postgarage, den Dom im Berg. Da ist viel los, auch in der Nacht."[2] Herr Rajakovics zählt Lokale auf – nicht öffentliche Plätze. Diese Lokale liegen außerdem zu zwei Dritteln (p.p.c., Postgarage) nicht in der Innenstadt.

Die Anfang Juli gegründete Facebook-Gruppe „Graz darf nicht zur Verbotszone werden“ zählt mittlerweile 1436 Mitglieder, jeden Tag werden es mehr. Hier werden Infos ausgetauscht, Ideen gesammelt, hier wird lamentiert, protestiert.

„Die einen fühlen sich um ihr Lebensgefühl gebracht, die anderen um ihre Nachtruhe“, heißt es außerdem im Artikel der Kleinen Zeitung. Nur: Es geht nicht um ein bloßes „Lebensgefühl“, das darin besteht, die halbe Nacht zu feiern. Ich bin keine Partytigerin und dennoch gehen mir die zunehmenden Verbote gegen den Strich: Weil öffentlicher Raum immer stärker in seiner Nutzung reglementiert wird.

Welche Anrainer stören Parkhouse-Konzerte, die um 22 Uhr zu Ende sind (es gibt sie seit einigen Jahren aus den hier genannten Gründen nicht mehr), wenn rundherum nur Park und Straße sind? Im Falle der Kombüse bin ich mir in Bezug auf Anrainer auch nicht sicher – wer wohnt in dieser Gegend? Im Falle des Barprojekts hätte die Politik zumindest den Dialog suchen müssen. Etwa: Können die Gaststätten-BetreiberInnen die Gäste bitten, sich hauptsächlich im Lokal aufzuhalten? Beobachten, ob sich etwas ändert – und nicht einfach einen fristlosen Rausschmiss verhängen?

Thomas Rajakovics bringt den Sachverhalt indirekt sehr gut auf den Punkt: Fortgehen ja, aber bitte in eigens dafür vorgesehenen „Einrichtungen“ (und nicht auf der Straße).

Neben den jungen Leuten vor den Lokalen will man auch die Punks vom Hauptplatz und vom Pavillon im Stadtpark weg haben und die BettlerInnen aus der Innenstadt. Alles, was ein bürgerliches Stadtbild stört eben.

Eine weitere Tendenz, die ich beobachte, ist eine zunehmende Selbstjustiz meiner MitbürgerInnen.

Vor kurzem raste auf dem Mur-Radweg ein Mitt-Fünfziger mit dem Fahrrad auf meinen freihändig Fahrrad fahrenden Freund zu. Im letzten Moment (bevor er ihn über den Haufen gefahren hätte) schnitt er vor ihm rüber und nachdem mein Freund schnell zur Lenkstange griff, rief er ihm ein bösartiges „Besser is‘!“ nach. Die Methode, mit welcher dieser Verstoß gegen die Verkehrsordnung (von einem Mitbürger) geahndet wurde, ist gefährlicher als der Verstoß selbst.

Ebenfalls kürzlich versperrte ein Mitt-Zwanziger auf dem Mur-Radweg meiner Freundin den Weg, weil sie ihren Hund (friedlich und fröhlich in der Wiese nebenher laufend) nicht an der Leine hatte und wollte den Weg nicht eher frei geben, bevor sie die Leine nicht angelegt hatte. Die hier gewählte Methode, um eine Regel aus Prinzip und nicht der Gefahr wegen befolgt zu wissen, ist respektlos und degradierend.

Ich könnte jetzt noch länger so weitermachen, beschränke mich aber auf diese beiden Beispiele.

Zusätzlich zur Polizei gibt es in der Stadt die Ordnungswache – ihr Zuständigkeitsbereich: „Anstandsverletzungen (z.B. "Wildpinkeln"), Bettelei, Halten von Tieren (z.B. Leinen- oder Beißkorbpflicht), Alkoholverbotsverordnungen“.[3]

Selten hat jemand in vergleichbarem Überfluss („Reichtum“ finde ich in diesem Zusammenhang problematisch) gelebt wie wir und dennoch scheinen die Menschen unzufrieden und unglücklich zu sein. Vielleicht gerade deshalb – weil es keine Sicherheit mehr gibt, nicht einmal mehr die vermeintliche, weil Wirtschaftskrise, Bankenpleiten, Rettungsschirme, Klimawandel und Überbevölkerung vor der Tür stehen und ziemlich laut anklopfen und nicht zuletzt, weil in diesem Überfluss der eigentliche Lebenssinn (Liebe zum Leben und den Mitmenschen, grob gesagt) verloren geht.

Eine Welt, die immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint, will man noch notdürftig zusammenhalten, indem man Regeln verschärft; MitbürgerInnen helfen mit, indem sie selbst zu ExekutorInnen werden. Nur: Sollten wir das Zusammenleben in der Stadt angesichts dieser aus den Fugen geratenden Welt nicht lieber schöner machen als komplizierter und gemeiner? Damit Graz nicht wirklich irgendwann einmal zusperren muss.

Oder handelt es sich um den „Sittenverfall“, der im Zusammenhang mit dem Niedergang von Kulturen schon oft beschrieben wurde (vgl. z. B. Rom)?

In diesem Fall muss Graz ohnehin demnächst zusperren.

.... .... .... ....

Text: kateřina černá:
Ich bin eine große Träumerin, ewige Pläneschmiederin, Künstlerin, Freundin, Schwester, Sängerin, Meer- und Kaffee-, Liebhaberin, Schriftstellerin auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie spät es jetzt wohl in Ulaanbaatar ist.

Foto: (c) "erwin stefanie posarnig (PLIANT) 2012//KAVN"

[1] http://www.kleinezeitung.at/g7/3068100/party-vorbei.story
[2] http://www.kleinezeitung.at/g7/3068100/party-vorbei.story
[3] http://www.graz.at/cms/beitrag/10124600/2548630/

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[Kolumne/katerina cerna/27.07.2012]





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